Familie Kohn

Bilder der drei Stolpersteinen mit folgendem Text: Auf dem ersten Stein steht: Hier wohnte Mathilde Kohn gebornene Laudenbacher Jahrgang 1858 deportiert 1942 nach Theresienstadt und gestoben 18.9.1942 Auf dem zweiten Stein steht: Hier wohnte Julius Kohn Jahrgang 1880 deportiert 1942 ermordet in Piaski Auf dem dritten Stein steht: Hier wohnte Hedwig Kohn Jahrgang 1885 deportiert 1942 ermordet in Piaski
Stolpersteine der Familie Kohn in der Klostersteige, Foto: Ralf Lienert

Die Familie Kohn stammt ursprünglich aus Luck bei Karlsbad in Böhmen. Leopold Kohn (geb. 10. Januar 1853 in Luck in Böhmen) heiratete am 25. November 1879 Mathilde Laudenbacher (geb. 22. Mai 1858 in Regensburg) in Memmingen. Julius Kohn (geb. 15. Oktober 1880) und Hedwig Kohn (geb. 27 Juli 1885, beide in Memmingen) waren die ersten beiden Kinder des Ehepaars, welches dann im Jahr 1889 von Memmingen nach Kempten zog, wo sie das Schuhgeschäft der Familie Schlachtberger übernahm. Die Familie wohnte bis 1891 in der Klostersteige und zog später innerhalb der Straße in die Klostersteige 11 (heute Reischmann) um.

Die Schuhgeschäfte wurden 1889 von Leopold Kohn gegründet und befanden sich in der Königstraße 28 und in der Klostersteige 17 (heutige Hamburgerei). In der Königstraße wurden elegante Schuhe verkauft, während das Geschäft in der Klostersteige Kinder-, Arbeits- und Stallschuhe anbot. Ende der 1920er Jahre eröffnete die Familie zudem ein Strumpfgeschäft an der Ecke Klostersteige. Mit der sogenannten „Machtergreifung“ der Nationalsozialisten 1933 wurden die Geschäfte kurzzeitig boykottiert und geschlossen. Fünf Jahre später, 1938, war endgültig Schluss und die Geschäfte wurden im Zuge der „Arisierung“ von einem anderen Schuhhändler übernommen.

Zwei uniformierte SA-Männer, die ein Plakat mit der Aufschrift "keinen Pfennig dem Juden!".
Boykott jüdischer Geschäfte; Foto: Sammlung Ralf Lienert

Während des NS-Regimes wurden Julius und Bruno Kohn (jüngster Sohn von Leopold und Mathilde; geb. 26. Juni 1893) in Schutzhaft genommen. Während Bruno bald wieder freigelassen wurde, wurde Julius für eine kurze Zeit ins Konzentrationslager Dachau gebracht. Hedwig und Julius Kohn wurden am 31. März 1942 über München mit dem Zug in das Konzentrationslager Piaski deportiert, wo sie später auch ermordet wurden. Mathilde Kohn wurde wenige Monate später am 10. August 1942 mit dem Judentransport nach Theresienstadt deportiert und dort am 18. September ermordet. Der Jüngste der Geschwister Kohn, Bruno Kohn, wurde als einer der letzten Kemptner Juden (Emil Steiner, Siegfried Walter) am 20. Februar 1945 in das Ghetto Theresienstadt deportiert.

Deportationsliste von Julius (laufende Nummer: 146) und Hedwig (laufende Nummer: 147) Kohn
Deportationsliste Julius und Hedwig Kohn
https://www.statistik-des-holocaust.de/OT420404-8.jpg
Todesfallanzeige von Mathilde Kohn (geb. Laudenbacher) aus dem Ghetto Theresienstat. Dabei sind persönliche Informationen, vorherrschende Krankheiten und Todesursache gegeben. Diese werden dann mittels Unterschriften von Ärzten bestätigt.
Todesfallanzeige Mathilde Kohn (geb. Laudenbacher) aus dem Ghetto Theresienstadt von holocaust.cz

Bruno Kohn überlebte die Zeit im Ghetto und kehrte nach Kempten zurück . Am 14. Mai 1946 eröffnete er erneut das Schuhhaus in der Königstraße, welches er später mit seiner Tochter Margot weiterführte, bis sie es 1979 aufgaben.

Zeitungsanzeige von der Wiedereröffnung des Geschäftes Gebrüder Kohn
Zeitungsanzeige von der Wiedereröffnung des Geschäftes Gebrüder Kohn Der Allgäuer vom 14.05.1946

Bruno Kohn wurde 1948 als Mitglied der Bayern-Partei in den Kemptener Stadtrat gewählt. Er war neben Dr. Hans Falk (SPD) der zweite jüdische Stadtrat der Nachkriegszeit in Kempten. Beim Spruchkammerverfahren gegen den langjährigen Oberbürgermeister Dr. Otto Merkt trat Kohn als Entlastungszeuge auf.

Bruno Kohn verstarb am 15. Dezember 1979 und wurde auf dem Friedhof  in Kempten beerdigt.

Traueranzeige von Bruno Kohn mit Dank
Traueranzeige Bruno Kohn aus Allgäuer Zeitung vom 19.12.1979

Leopold und Hedwig Kohn vor dem Schuhgeschäft
Leopold und Hedwig Kohn vor dem Eingang des Schuhgeschäfts Gebrüder Kohn; Foto: Sammlung Ralf Lienert
Stammbau der Familie Kohn, Anfang bei Kohn A. bis zu heutigen Nachfahren.
Stammbaum der Familie Kohn; erstellt von Paul Wintergerst, Catherina Hatzis und Lukáš Škvarenina

Weitere Verwandtschaft aus Memmingen:

  • Kohn Antonie  *2. August 1889 in Memmingen
  • -> Cousine von Julius, Hedwig und Bruno Kohn; Vater Nathan Kohn (Bruder Leopold Kohn)
  • -> Deportiert: 13. März 1943 nach Ausschwitz

  • Kohn  Mathilde geb. Herzfelder *11. April 1886 in Marktbreit bei Kitzingen
  • -> Frau von Nathan Kohn (Bruder Leopold Kohn)
  • -> Deportiert: 24. Juni 1942 nach Theresienstadt; 19. September 1942 nach Teblinka

Weitere Bilder:

Zeitungsanzeige des Schuhhaus Gebrüder Kohn aus der Allgäuer Zeitung am 22.5.1897

Anzeige des Schuhhaus Gebrüder Kohn aus der Allgäuer Zeitung vom 25.5.1897

Kutsche voll mit Schuhkartons vor dem Schuhhaus Gebrüder Kohn
Veröffentlichung aus einer Kemptener Zeitung vom 8. Mai 1930; Repro: Ralf Lienert

Ausverkauf im Schuhhaus Gebrüder Kohn
Ausverkauf im Schuhhaus Gebrüder Kohn in der Königstraße; Foto: Sammlung Ralf Lienert

Kleine Menschenmenge vor dem Schuhwarenhaus in der Klostersteige
Schuhhaus Gebrüder Kohn in der Klostersteige Foto: Sammlung Ralf Lienert

Danksagung an den Herrn Leopold Kohn
Danksagung Leopold Kohn aus Allgäuer Zeitung vom 27.11.1928